Auf einer Illustration sind drei Frauen zu sehen die auf 3 Pfeile blicken, die in unterschiedliche Richtungen weisen. von Generiert mit DALL-E 3

Entscheidungen in agilen Teams treffen - jenseits des Konsensprinzips

Moderne Teams, die selbstorganisiert arbeiten, sollen Entscheidungen eigenständig treffen. Der Gedanke: Entscheidungen werden dezentral getroffen, näher am Markt, näher am Kunden. Doch was heißt das dann ganz konkret? Wer entscheidet was genau? Wann und wie? Und wer ist am Ende eigentlich verantwortlich für das Ergebnis der Entscheidung?

Der Konsens-Reflex und seine Fallstricke

Die Antwort ist in vielen Teams - zumindest beobachte ich das häufig in meiner Arbeit - dass stark auf das Konsensprinzip gesetzt wird. Alle sollen sich einig sein und irgendwie einbezogen werden. Im Konsens lassen sich aber gerade Lösungen für knifflige Entscheidungen nur selten finden. Was hat das zur Folge?

  • Lähmung: Schwierige Entscheidungen werden gar nicht erst angegangen, weil es unbequem werden könnte und ein Konsens zu weit entfernt scheint.
  • Suboptimale Kompromisse: Nicht immer werden die besten Entscheidungen getroffen, denn wenn alle einverstanden sein müssen, ist auch mal der "kleinste gemeinsame Nenner" die Lösung - eine Kompromisslösung, die für niemanden wirklich befriedigend ist.
  • Blockade durch Einzelne: Einzelne Personen können Entscheidungen blockieren und verhindern.
  • Zeitintensität und Ineffizienz: Die Herstellung eines Konsens kann sehr zeitaufwändig sein und zu endlosen Diskussionen führen.
  • Ungleiche Beteiligung: Nicht alle bringen sich gleich aktiv in die Diskussion ein – sei es aus Zeitgründen, Zurückhaltung oder fehlender Sicherheit. Dadurch dominieren manchmal die lautesten Stimmen – was nicht automatisch bedeutet, dass dort auch das meiste Wissen oder die beste Entscheidungskompetenz liegt.

Warum Entscheidungen Klarheit brauchen – nicht nur Beteiligung

In vielen Teams herrscht der Eindruck: Hauptsache, alle dürfen mitreden. Doch Beteiligung allein macht noch keine gute Entscheidung. Entscheidend ist, dass am Ende klare und tragfähige Entscheidungen getroffen werden – und zwar in einem Tempo, das zur Situation passt.

Eine zentrale Voraussetzung dafür ist Klarheit: Nur wenn allen Beteiligten bewusst ist, was genau entschieden werden soll, wer die Entscheidung trifft, nach welchem Verfahren entschieden wird und was ein guter Zeitrahmen ist, können Entscheidungen klar getroffen und wirksam umgesetzt werden. Diese Fragen sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Teams arbeitsfähig bleiben – auch unter Unsicherheit.

Diese vier Fragen helfen, Entscheidungen im Team klar zu strukturieren:

  • Worum geht es konkret? Ist das Entscheidungsfeld sauber umrissen? Sind Ziele und Kriterien transparent?
  • Wer entscheidet? Ist eindeutig geklärt, ob eine Einzelperson, ein Kreis, das ganze Team oder die Führungsebene zuständig ist?
  • Wie wird entschieden? Wird im Konsens oder Konsent entschieden? Nach Mehrheitsprinzip? Oder trifft eine Person die Entscheidung alleine?
  • Wie schnell müssen wir entscheiden? Besteht ein gewisser Zeitdruck? Oder könnte es sich lohnen noch etwas abzuwarten?

Bleiben zentrale Fragen wie Wer entscheidet? und Wie wird entschieden? offen, entsteht Unsicherheit. Diese Unsicherheit führt nicht selten dazu, dass sich manche zurückhalten – nicht aus Unwille, sondern aus berechtigter Vorsicht vor unklaren Konsequenzen. Und wer einmal erlebt hat, dass die Teamentscheidung nachträglich kassiert wurde, wird künftig weniger Lust haben Entscheidungen zu treffen.

Gleichzeitig prägen unausgesprochene Dynamiken die Entscheidungen: Wer lauter ist, setzt sich eher durch. Wer ohnehin Einfluss hat, setzt sich unauffällig durch. So entstehen schwelende Spannungen, die das Vertrauen untereinander und die Handlungsfähigkeit des Teams langfristig negativ beeinflussen.

Gleichzeitig gilt: Diese Klärung muss nicht überformalisiert sein. Es geht nicht darum, jedes Detail zu regeln. Sondern darum, ein gemeinsames Bewusstsein zu schaffen – über Rollen, Erwartungen und Entscheidungslogiken.

Klarheit über Entscheidungsprozesse stärkt nicht nur die Eigenverantwortung im Team. Sie entlastet auch Führungskräfte, die nicht jede Entscheidung selbst treffen müssen. Und sie beschleunigt die Umsetzung – weil weniger Unsicherheit herrscht, wenn der Rahmen klar ist.

Entscheidungsprozesse bewusst gestalten

Für Organisationen und Teams ist es hilfreich, Klarheit darüber zu entwickeln, welches Vorgehen für den eigenen Kontext stimmig ist: Was passt zum Unternehmen und zur Kultur? Nicht jede Entscheidung ist gleich, daher lohnt es auch darauf zu schauen, was entschieden werden soll. Gerade bei großen und schwierigen Entscheidungen empfehle ich, diese Klärung frühzeitig vorzunehmen.

Bei der Auswahl der richtigen Entscheidungsmethode spielen mehrere Faktoren eine Rolle:

  • Bedeutung und Tragweite der Entscheidung: Wie groß sind die Auswirkungen der Entscheidung?
  • Verfügbare Zeit: Wie schnell muss eine Entscheidung getroffen werden? Welches Vorgehen passt dazu?
  • Teamgröße und -struktur: Welches Vorgehen passt zur Zahl der involvierten Personen?
  • Organisationskultur: Passt die Methode zur bestehenden Kultur oder wie weit soll/darf sie davon abweichen?
  • Benötigte Akzeptanz für die Umsetzung: Wie sehr müssen andere die Entscheidung mittragen?
  • Notwendiges Fachwissen: Liegt es bei Einzelnen oder verteilt im Team?

Mini-Methodenüberblick: Von Konsens bis Delegation

  • Konsens: Alle stimmen zu.
  • Konsent: Niemand hat schwerwiegende Einwände. Wie gut das in der Praxis funktionieren kann, zeige ich in meiner Case Study zur Team-Reorganisation bei Pirate Ship – dort haben wir Konsent genutzt, um Teamentscheidungen effektiv und partizipativ zu gestalten.
  • Beratungsverfahren: Eine Person entscheidet nach Rücksprache.
  • Mehrheitsentscheid: Demokratisch, aber nicht immer nachhaltig.
  • Delegation: Verantwortung wird bewusst abgegeben.
  • Disagree & Commit: Abweichende Meinungen – gemeinsame Umsetzung.

Doch welches Verfahren passt wann? Ein Blick auf die Unterschiede hilft.

Entscheidungsprozesse im Vergleich

Die folgende Grafik zeigt verschiedene Entscheidungsverfahren entlang zweier Dimensionen:

Wie dezentral ist die Entscheidungsgewalt? Und: Wie schnell kann entschieden werden?

Je nach Situation kann entweder Partizipation oder Geschwindigkeit wichtiger sein. Wie die Visualisierung zeigt, befinden sich Konsens und Autokratie (Einzelentscheid) an entgegengesetzten Enden des Spektrums. Konsent und demokratische Entscheidungsprozesse bieten eine Balance zwischen Partizipation und Geschwindigkeit, während konsultative Prozesse und Delegation zwar schnell sind, aber die Entscheidung stärker zentralisieren. Die Herausforderung besteht darin, je nach Situation den passenden Prozess zu wählen.

Reflexionsfrage für dich

Wie werden in deinem Team Entscheidungen getroffen – und wo würdest du euch in dieser Grafik verorten? Stimmen Entscheidungsprozesse und Geschwindigkeit mit dem überein, was euer Kontext eigentlich braucht?

Fazit: Entscheidungen bewusst gestalten statt dem Zufall überlassen

Nicht jede Entscheidung muss im Konsens gefällt werden. Und nicht jede Entscheidung darf von einer Person alleine getroffen werden. Die wichtigste Frage lautet nicht: Wie entscheiden wir richtig? Sondern: Wie entscheiden wir in dieser Situation angemessen?

Konsens ist kein Allheilmittel. Wer Entscheidungen wirksam treffen will, braucht einen klaren Entscheidungsrahmen – und die Fähigkeit, situativ die passende Methode zu wählen.

Mein Impuls: Schafft Transparenz über eure Entscheidungsprozesse. Diese Klarheit fördert nicht nur Flow, sondern auch Verantwortung.

Du willst in deinem Team mehr Klarheit über Entscheidungsverfahren schaffen? Ich unterstütze dich gern dabei – im Sparring oder mit einem maßgeschneiderten Workshop. Kontaktier mich für ein unverbindliches Kennenlernen.